Eisenbahn beendete große Not

Kirchlengerns Bahnhof erstrahlt seit einem Jahr in neuem Glanz /Abwechslungsreiche Geschichte

Bericht der NW Bünde am 3.4.08 von Karl-Henrik Tittel (Fotos: Patrick Menzel)

Seit gut einem Jahr erstrahlt das Kirchlengeraner Bahnhofsensemble nun im neuen Glanz. Am 1. April 2007 wurde das modern gestaltete Umfeld mit einem großen Familienevent eröffnet. „Wir haben ein Juwel mitten im Ortskern liegen, was nun mit neuen Inhalten gefüllt wurde“, beschrieb damals Bürgermeister Rüdiger Meier das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude, das 1870 errichtet wurde.


Bahnhof Kirchlengern

In Kirchlengern begann die Eisenbahngeschichte als Staatsbahnstelle mit einem kleinen Schalterhäuschen in 1855, dem Jahr der Inbetriebnahme der durch Kirchlengern verlaufenden Bahnstrecke Löhne – Osnabrück. Also 20 Jahre nachdem die erste deutsche Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet wurde.

Der Bau der Strecke war für die Heuerlinge und Kötter der Lengeraner Bauernschaft ein Glücksfall und bedeutete gleichzeitig eine neue wirtschaftliche Perspektive. Denn durch den Niedergang der Flachsverarbeitung per Handarbeit im Zuge der Industrialisierung war große Not die Folge. Die Erd- und Gleisverlegungsarbeiten bedeuteten für viele Menschen Beschäftigung und – wenn auch kargen – Lohn. Ebenso wie beim Bau der „Chaussee“ von Herford über Lengern nach Lübbecke (B 239) zwischen 1847 und 1850.

Gleichzeitig läutete die Streckenanbindung eine strukturelle Zäsur in dem zu dieser Zeit dem Amt Gohfeld-Menninghüffen zugehörigen Gebiet ein, war doch infolgedessen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein starker Zuzug von außerhalb zu beobachten.

1870 erfolgten die Erstellung eines Stationsgebäudes und die Ernennung in den Rang eines Bahnhofes. Ein Anbau für die Güterabfertigung folgte. 1855 machten in Kirchlengern lediglich zwei Güterzüge Station. Erst drei Jahre später hielten zwei Personenzüge, zu denen sich 1873 ein dritter gesellte. Seine größte Frequentierung erlebte der Bahnhof zwischen den Weltkriegen und danach, als viel Pendler aus Kirchlengern mit dem Zug zu ihren außerhalb gelegen Arbeitsstellen fuhren. Zeitzeugen nach sei der Bahnsteig bereits morgens um sechs Uhr „schwarz von Menschen“ gewesen. Weltweit bekannt wurde der Kirchlengeraner Bahnhof durch eine große Zugtragödie 1891, als der den Zirkus „Carré“ befördernde Sonderzug entgleiste. Zahlreiche Tote und Verletzte und der Verlust vieler Tiere waren zu beklagen. Zudem entstand erheblicher Sachschaden.

Bahnhofsgebäude nach dem Brand

Ein zündelnder Junge setzte im Mai 2006 den Dachstuhl des Bahnhofsgebäudes in Brand

Die zunehmende Verlagerung des Personen- und Güterverkehrs auf die Straße sollte später den Verkauf des Gebäudekomplexes zur Folge haben. Heute befinden sich im ehemaligen Dienst- und Zugabteilungsgebäude Wohnungen und das Bistro „Alter Bahnhof“ und in der ehemaligen Güterabfertigung das Briefmarken-Auktionshaus Pumpenmeier. Reisende und Pendler nutzen die Verbindungen in Richtung Herford, Bünde und Löhne.

Da im Laufe der Jahre der Durchgangsverkehr stark zunahm, was Autofahrer oft zum längeren Verweilen vor der geschlossenen Bahnschranke zwang, wurde eine Ortsumgehung gebaut, die am 29 November 1999 freigegeben wurde.

(Neue Westfälische Bünder Tageblatt, Donnerstag 3. April 2008)

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