Der Doberg … ein Meerwasseraquarium in Stein

von Dr. Eberhard Pannkoke

Der Doberg im Südosten von Bünde, im Grenzbereich der Stadtteile Südlegern und Bustedt, ist ganze 105 m hoch und nicht einmal der Form nach ein Berg. Nur der Südhang hebt sich etwa 40 m aus der Talniederung des Brandbaches mit einer Steilstufe heraus, die der Abbau von Sand für die Trasse der unmittelbar vorbeiführenden Autobahn hinterließ. Der Anstieg von Norden ist dagegen sanft, so dass der Berg eher einem Pult gleicht.

Das Terrain des Doberg etwas gleicht einem Schweizer Käse; die Löcher entsprechen heute stillgelegten Mergelgruben. Der Spaziergänger geht „in den Doberg! Nur Kinder klettern „auf“ die dem jahrhundertealten Mergelabbau entgangenen  Plateaus, Grate und Pässe.


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Und doch ist der Doberg etwas Besonderes. Seine Fossilien – versteinerte Reste vergangenen Lebens – sind es, die ihn berühmt gemacht haben! 1829 bedankte sich der sächsisch- weimarische Kammerrat August von Goethe bei Dr. Nicolaus Meyer in Minden für ein Paket und schrieb: „Die herrlichen Versteinerungen vom Doberg sind schon einrangirt und bilden eine wahre Zierde meiner Sammlung.“ 1841 erwarb der bedeutende Paläontologe Georg August Goldfuß die 728 Fossilien umfassende Doberg-Sammlung des Bünder Arztes Dr. Schmidtmann für die Universität Bonn. Goldfuß wurde belobigt – Schmidtmann der für ihn beantragte Titel eines Medizinalrates verwehrt.

1905 schenkte der Schüler Paul Müller seine Doberg-Sammlung dem Gymnasium in Bünde. Der „wissenschaftliche Lehrer“ und spätere Studienprofessor Friedrich Langewiesche nahm das Geschenk dankend an und begann nun seinerseits, Fossilien zu suchen. Wenn der Mergelabbau am Wochenende ruhte zogen Lehrer und Schüler in den Doberg. Die Bürger schüttelten ob des Eifers den Kopf. Einmal meinte ein alter Bauer: „Anner Lüe spölt sick an Soterdagnomdag de Magen ut, un Sei lopt met Öre Jungens inne Welt herümme- andere Leute spülen sich am Samstagnachmittag den Magen aus, und Sie laufen mit ihren Jungen in der Welt herum.“

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Doberg-Fossilien gelangten in alle größeren Naturmuseen und geologischen Institute der Welt – nach Berlin., Frankfurt, Göttingen und Osnabrück ebenso wie nach London, Paris und Kopenhagen.

Der Doberg ist ein Stück einstigen Meeresbodens, wie seine Fossilien beweisen. Die heute mehr oder weniger verfestigte ovale Gesteinsplatte ist 1500 x 650 m groß und 140 m dick. Sie ist infolge wechselnden Gesteins geschichtet. Außerdem wurde dieses Schichtpaket nach seiner Verfestigung verbogen; die Schenkel der resultierenden Mulde fallen mit Winkeln von 25-30 Grad nach N bzw. S ein. Das Alter der Gesteine ist respektabel: unten sind sie 37, oben 24 Millionen Jahre alt. Die Physik hat gleich alte Gesteinsfolgen anderswo auf radiometrischem Wege datiert. Oligozän heißt der erdgeschichtliche Zeitabschnitt mit dem Alter des Dobergs. Dessen Gesteine und Fossilien sind somit Dokumente des Oligozäns. Diese belegen aber nicht nur einen Teil dieser Zeit, sondern das Oligozän als Ganzes vom Anfang bis zum Ende. Das gibt es im nördlichen Europa kein zweites Mal, und so nimmt es nicht wunder, dass der Doberg zu den klassischen Stätten der Geologie gehört. Immer wieder war er Exkursionsziel internationaler Kongresse.

Das Oligozän lässt sich in 3 Abschnitte unterteilen: Das Oberoligozän steht im Kern des Dobergs an. Die 70 m mächtige Gesteinsserie bildet insgesamt 53 mehr oder weniger feste Mergelschichten und Muschelbänke, die „Doberg-Schichten“. Dem Mitteloligozän entsprechen die „Piepenhagen-Schichten“, 23 m Sande und 8 m Tone in der Flur Pipenhagen und am Südost-Hang des Dobergs. Das Unteroligozän wird von den 39 m Sanden der „Brandhorst-Schichten“ gebildet. Sie sind am Südhang des Dobergs in der Flur Pipenhagen aufgeschlossen, treten aber auch im Norden an der Dillenbreede und in der Flur Brandhorst jenseits des Brandbaches zutage, wo kalkreiche Partien früher in kleinen Gruben gewonnen wurden. – Im Zusammenhang sind diese 3 Oligozän-Abschnitte einzigartig nur am Doberg zugänglich erhalten geblieben. 1971 wurde der Doberg zur neuen „ersten Adresse“ des Oberoligozäns; „die Doberg-Schichten“ typisieren seitdem als „Neostratotypus“ den Zeitabschnitt.

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