Südlengeraner gab es schon in der frühen Bronzezeit

Eine der ältesten Siedlungen in Ravensberg

Die Eiszeit, die unserer Heimat ihr heutiges Gesicht gab, führte ihr auch die ersten Menschen zu. Unsere Kenntnisse über das Leben dieser ersten Bewohner sind nur spärlich. Für lange Jahrtausende, bis etwa in die Zeiten um Christi Geburt, stehen uns allein Bodenaltertümer zur Verfügung, um uns ein Bild von ihrem Dasein zu machen.


Urne aus der Bronzezeit

Die zuerst in Westfalen aufgetauchten, wahrscheinlich zu den Neandertalern zählenden Bewohner der sauerländischen Höhlen, die offenbar von Südwesten her als reine Jäger nach Deutschland vordrangen und sich später auf demselben Wege wieder zurückzogen oder untergingen, haben unsere Gegend nicht erreicht. Die nächsten Bewohner, die einer stärkeren und geistig begabteren Rasse zugehörigen Cromagnon- und Aurignac-Leute, stehen den heutigen Bewohnern Europas viel näher und bilden den Grundstock der auch Norddeutschland bewohnenden Rassen. Sie drangen allmählich bis etwa 6000 v. Chr. zum Teutoburger Wald vor, wo große Mengen von Feuerstein-Werkzeugen bei Bielefeld und Stapelage gefunden worden sind. Die bezeichnende Beschränkung auf Hänge und Täler des Gebirges wird verständlich, wenn man das feuchtwarme „atlantische“ Klima der Nacheiszeit in Betracht zieht. Der Mensch zog die lockeren Sandböden an den sonnigen Berghängen den schwer zu bearbeitenden lehmigen Niederungen, für die er gar keine geeigneten Geräte hatte, vor.

In der jüngeren Steinzeit, etwa seit dem 4. Jahrtausend v. Chr., wies Mitteleuropa bereits eine überwiegend sesshafte bäuerliche Bevölkerung auf, die in kleinen Dörfern wohnte. Man kannte feste Holz- und Fachwerkbauten. Getreide in verschiedener Form, z. T. Hülsenfrüchte, wurden angebaut, auch Flachs geerntet und zur Bekleidung verarbeitet. Mehrere Haustiere – Rind, Schwein, Schaf und Ziege – waren vertreten. Der Boden wurde mit Haken-, z. T. auch schon Sohlenpflügen bearbeitet. Pfeile und Lanzenspitzen aus dieser Zeit wurden am Doberg gefunden.

Auch sonst begegnen uns in der Umgebung massive und durchbohrte Steinhämmer dieser Epoche, die, wenn nicht mit Sicherheit auf eine dauernde Besiedlung, so doch zumindest auf eine vorübergehende Anwesenheit des Steinzeitmenschen schließen lassen.

Bis 2000 v. Chr. war unsere Heimat noch so gut wie menschenleer, während die benachbarten Osnabrücker und Tecklenburger Gebiete eine Fülle von Siedlungsspuren aufweisen. So sind auch in unserer engeren Heimat keine der Riesensteingräber erhalten, was allein durch Siedlungsleere zu erklären ist.

1934 fand man in Südlengern-Dorf eine Friedhofsanlage aus der Bronzezeit

Aus der frühen Bronzezeit stammen die meisten bei uns gefundenen Urnengrabstätten, z. B. zwischen Bünde und Südlengern auf dem Bünder Esch unweit der Else, wo man 1808 25 Urnen aufdeckte, und bei Südlengern selbst. Die Urnen gehören überwiegend zu den weit verbreiteten doppelkonischen Formen der Bronzezeit mit eckigem oder abgerundetem Umbruch. Teilweise ist das Oberteil eingezogen, die Öffnung oft klein. Einzelne der Urnen waren mit kleinen Beigefäßen versehen, sogenannten Tränenkrüglein, die ähnlich den großen Urnen geformt waren. Interessant ist es, dass bei Südlengern unter den Urnen zwei Gefäße waren, die Andeutungen von Buckeln aufwiesen. Darin liegt offenbar eine Einwirkung der Lausitzer Kultur vor, die an ihren keramischen Gefäßen schon in der Steinzeit derartige Buckel entwickelt hatte. Sie stellt eine eindeutig germanisch-nordisch bestimmte Kultur dar. Die germanischen Urnenfriedhöfe bevorzugen deutlich die Flussniederungen.

vollständiges Bild der Urne

Noch 1934 wurde von Prof. Langewiesche auf dem Lande des Gärtners Breitenbürger Nr. 205 in Südlengern-Dorf eine größere Friedhofsanlage aus der Bronzezeit aufgedeckt. Zahlreiche Urnen und Feuerstellen traten zu Tage. Die Urnen standen etwa 80 Zentimeter unter der heutigen Oberfläche, zum Teil von Steinen umgeben, zum Teil auch auf einem Steinpflaster. In einer Urne fand sich eine Bronzefibel, deren Dorn schon aus Eisen war (Ringfibel). Eine Armbrustfibel war ganz aus Bronze. Auch eine Sigillata-Schüssel aus schwarz gewordenem roten Ton konnte gefunden werden. Die meisten der in unserer Gegend gefundenen Stücke dieser Importware stammen aus Rheinzabern.

Die auf dieser Seite abgebildeten Urnen befinden sich im Museum Bünde.

Der Wechsel der Siedlungsplätze, der gegenüber der vorhergehenden Zeit eingetreten war, findet seine Begründung wiederum in einem Klimawechsel. Statt des feuchtwarmen Wetters der Steinzeit herrschte jetzt ein „boreales“, trockenes Klima. Das waldige Hügelland blieb dagegen nun siedlungsarm.

Aus der folgenden Eiszeit, die sich unmerklich zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. anbahnte, sind uns, teils infolge der Vergänglichkeit des Materials, nur wenige Funde überliefert. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass wesentliche Veränderungen in der Besiedlung nicht stattgefunden haben. So ist für Südlengern eine ununterbrochene Besiedlung, zumindest seit der frühen Bronzezeit, mit Sicherheit anzunehmen. Das Dorf gehört damit zu den ältesten Siedlungen des Ravensberger Landes.

(aus Festschrift „800 Jahre Südlengern“, abgedruckt in Chronik Südlengern)