Südlengern liegt im Mittelpunkt der Welt

von Willi Fleddermann

Auf das Phänomen wurde ich aufmerksam, als ich zufällig entdeckte, dass Südlengern genau auf der Achse zwischen Spenge und Volmerdingsen liegt. Dann stellte ich fest, dass eine weitere Achse Südlengern mit Exter und Schwenningdorf verbindet. Auch die Gerade zwischen Hücker Moor, Doberg und Gohfeld mochte noch nichts zu bedeuten haben. Dass aber eine direkte Linie vom Herforder Stift auf dem Berge über die Branneke in Südlengern zur Babylonie im Wiehengebirge führt, machte mich stutzig.


 Als nächstes entdeckte ich die Achsen zwischen Paderborn und Oppenwehe, dann die bemerkenswerten Linien zwischen Hameln und Osnabrück sowie zwischen Bottrop und dem Steinhuder Meer. Immer Südlengern mittendrin. Mutiger geworden, erweiterte ich meinen westfälischen Horizont, indem ich unsichtbare Fäden zwischen Köln und Nienburg, München und Aurich, Flensburg und Basel, Hamburg und Luxemburg spannte. Mit den folgenden Linien zwischen Brüssel und Danzig, Warschau und Rotterdam war ich endgültig auf internationalem Parkett gelandet.

Ich kam zwar streng genommen nicht in Südlengern, sondern im Bünder Krankenhaus zur Welt, wuchs aber in Südlengern auf und hatte eigentlich immer das Gefühl, mit meiner Heimatgemeinde müsse es etwas Besonderes auf sich haben. Ich konnte das nie begründen, und wahrscheinlich fehlte mir in all den Jahren auch die Zeit, diese Ahnung zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen. Das änderte sich erst, als ich mich im Vorfeld des Ortsjubiläums „850 Jahre“ zur Mitarbeit im Arbeitskreis „Chronik“ entschloss.

Es dauerte nicht lange, bis ich begriff, wie wenig ich von Südlengern wusste. Vielleicht, nein, bestimmt sogar hatte ich in den Jahren meiner Kindheit aufmerksamer hingeschaut. Oft waren es schlichte, unscheinbare Eindrücke, wenn wir am Brandbach Kühe hüteten, nebenbei Kaulquappen fingen, Käfern oder Schmetterlingen nachjagten. Der Doberg aber hatte schon damals für mich eine eigenartige Anziehungskraft. Ich wusste wenig von seinen Schätzen und Geheimnissen, doch ich spürte, dass alles dort ungewöhnlich war. Nur in der kalten Jahreszeit, wenn Schnee lag und wir mit Schlitten den Hang hinuntersausten oder uns – manchmal vergebens – auf Waldwegen mühten, in der Spur zu bleiben, gewann pure Freude am winterlichen Vergnügen die Oberhand.

Der stählerne Turm auf dem Reesberg stand im Mittelpunkt abenteuerlicher Spiele. Dass er einmal eine dramatischere Bedeutung gehabt hatte, wusste ich nicht. Oder wenn es jemand erwähnt haben mochte, war mir die Tragweite dessen, wie schicksalhaft der Zweite Weltkrieg das Leben auch in Südlengern verdunkelt und ins Hässliche verzerrt hatte, nicht bewusst. Er hatte Trauer über viele Familien gebracht. Und die Luftangriffe, die vom Beobachtungsposten auf dem Reesberg regelmäßig und zunehmend häufiger vermeldet wurden, führten zu einem Zustand von Angst und Lethargie, an den sich Ältere erinnern, den man sich heute aber kaum noch vorstellen kann.

Kinder waren es, die nach dem Ende des Krieges im Reesberg Waffen und Munition suchten – dort hatten sich Soldaten auf dem Rückmarsch von lästig gewordenen Requisiten befreit. Wenn die Kinder Patronen fanden, zogen sie mit einer Zange die Hülsen ab, schütteten das Schwarzpulver in ein Glas und zündeten es an. Schnell hatten sie auch Unterschiede herausgefunden. Befand sich zum Beispiel seitlich an einer Patronenspitze eine kleine Lötstelle, handelte es sich um Leuchtmunition. Und einmal zerfetzten Kinder mit einer Maschinengewehrsalve eine Hochspannungsleitung. Die Drahtenden sausten funkensprühend in das darunter liegende Kornfeld und hinterließen eine verkohlte Schneise.

Als wir Kinder waren, haben wir oft am Elseufer gespielt oder in „Trampen Busch“ Räuber und Gendarm. Die idyllische Flusslandschaft gestaltet das Bild Südlengerns mit seit eh und je. Als Junge habe ich mich nie gefragt, woher die Else kommt, und ob ihre Entstehungsgeschichte vielleicht ungewöhnlich ist. Irgendwann brachte ein Lehrer die Hase ins Spiel, und vielleicht war damals auch von „Bifurkation“ die Rede. Doch mir ist erst später klar geworden, dass der Ursprung der Else bei Gesmold im Osnabrücker Land eine Sensation darstellt. Die Gabelung der Hase, deren Wassermassen zu zwei Dritteln zur Ems hin weiterfließen, zu einem Drittel aber – über die Else – nach Osten zur Weser hin, entpuppt sich als Naturschauspiel, das sich im Übrigen nur an sehr wenigen Stellen der Erde – etwa in Südamerika – beobachten lässt.

In Südlengern prägte die Else das Alltagsleben in vielfältiger Weise. Überschwemmungen gab es oft, vor allem nach einem strengen Winter und nach starken, anhaltenden Regenfällen. Im Winter führte die Else häufig mächtige Eisschollen mit sich. Einmal lag ein Eisklotz, etwa zehn Meter lang und vier bis fünf Meter dick, auf einer der Holtkampschen Wiesen am Finkenbusch. Erst weit nach Ostern hatte die wärmende Kraft der Frühlingssonne den Koloss bezwungen und in Wasser, sein fließendes Element, zurückverwandelt.

Früher fing man die Fische in der Else noch mit Maurerbindfaden und Drahthaken. Gefangenen Hechten band man einen Bindfaden um die Kiemen und hielt sie so in seichtem Wasser fest. Einmal scheuerte der Bindfaden durch, und die Hechte marschierten so „peu à peu“ ab. Als der Angler das Missgeschick bemerkte, wollte er den Fang natürlich nicht so einfach ziehen lassen. in seiner Hast rutschte er aus und nahm ein unfreiwilliges Bad. Die Beobachter hatten einen Mordsspaß.

Und einmal kam ein Karpfen dahergeschwommen, erzählt Fritz Feldmann, so lang wie ein U-Boot. Einer, der dabei war, soll tief beeindruckt ausgerufen haben: „Junge, häss diu dän soihn? Äogen hädde de, wie’n Piard!“

Wenn die Else im Winter zugefroren und die Eisdecke dick genug war, begegneten sich viele Südlengeraner, Kirchlengeraner und Spradower mit und ohne Schlittschuhe beim „Eislaufen“ auf der Else. Im Sommer stand ein anderer Freizeitspaß obenan. Dann wurde aus der Else eine große, langgestreckte Badeanstalt. Eine Badestelle war das Mühlenkolk an der Elsemühle. Dort gab es sogar einen 5 Meter hohen Sprungturm. Die Badestelle war mit Leitungsmasten abgeteilt, und es musste Eintritt bezahlt werden, der damals 5 Pfennige betrug. Das „Hexenkolk“ war ein tiefes und trügerisches Wasser. Bei Trampen Aufschlag, wo der Brandbach in die Else mündete, hatte die Else ein Steilufer. Man musste einer Leiter mitnehmen, um hinunter und wieder hinauf zu kommen.

Besonders beliebt aber war das „Warme Wasser“. So wurde die Stelle in Höhe der „Insel“ bezeichnet, an der das EMR  nach einer Vereinbarung mit dem Brausemüller auf Kirchlengerner Gebiet das aufgeheizte Kühlwasser über ein Rohrleitungssystem in die Else zurückführte. Die oval geformte Rohrleitung hatte einen großen Durchmesser und ging am Kirchlengerner Bahnhof und an der Schmiede Johanning vorbei. Die Kinder machten sich einen Spaß daraus, bereits durch einen Schacht am Bahnhof „einzusteigen“ und sich vom warmen Wasser bis hinunter zur Else tragen zu lassen. Auch am Wehr der Brausemühle und im Rattenkolk wurde gebadet. An der Brausemühle war es gleich hinterm Stau sehr tief, und wenn der Brausemüller Kinder beim Baden erwischte, reagierte er ungehalten. „Iek will di helben“, soll er gerufen haben. Doch wenn das Baden unter Aufsicht – zum Beispiel eines Lehrers – stand, hatte er nichts dagegen.

Die Sorge des Brausemüllers kam nicht von ungefähr. Fast jedes Jahr holte sich die Else ein Opfer, manchmal auch zwei. Heinrich Böker weiß von zwei Jungen, die in der Nachbarschaft zu Besuch waren und die Tücken der Else nicht kannten. Einer geriet in Not, der andere wollte ihn retten, und sie ertranken beide.

1995 wurde die Elseaue unter Naturschutz gestellt. Seitdem kauft der Kreis Herford verstärkt Privatflächen auf, die dann im Sinne des Naturschutzes als Grünland genutzt werden oder sich selbst überlassen bleiben. Ziel aller Maßnahmen ist der Erhalt und die Entwicklung einer naturnahen Flussaue für Pflanzen und Tiere, die gleichzeitig der Erholung der Menschen dient. Vom Rad- und Wanderweg aus, der durch das Gebiet verläuft, kann man in Ruhe die Natur beobachten und genießen, ohne zu stören.

Ich habe die Volksschule in Südlengern-Dorf besucht. Damals gab es noch das alte Fachwerkgebäude von 1822, das 1958 zusammen mit dem alten Toilettengebäude abgerissen wurde, als die Schule einen Anbau erhielt.

Die Schule im Dorf hat eine mehr als 250jährige Tradition, wie ein Dokument aus 1742 belegt. Damals wollte der alte Schulmeister seinen Sohn als Hilfskraft einbeziehen. Die Prüfung dazu bestand der junge Mann leidlich. Er wurde jedoch ermahnt, „besonders im Schreiben sich zu üben, weil man gefunden, dass es ihm hierin noch in etwas gefehlt.“ Die Eltern hatten um 1800 ein Schulgeld von knapp 1 Reichstaler zu zahlen. Die Zahlungsmoral ließ allerdings zu wünschen übrig. Und auch die Einführung der Schulpflicht in Preußen ließ die Klagen der Schulmeister über die „rohen und unkultivierten Bauern“ und den unregelmäßigen Schulbesuch ihrer Kinder nicht abreißen.

1822 wurde auf dem jetzigen Schulgrundstück der bereits erwähnte Fachwerkbau errichtet. Die Gemeinde soll damals ein gut erhaltenes Försterhaus erworben und wieder aufgestellt haben. 1881 erhielt das Gebäude einen Anbau, den heutigen Altbau. Außerdem entstanden neben der Schule ein Toilettenhäuschen für die Schüler und ein Spritzenhaus. Das alte Spritzenhaus wurde 1925 abgerissen und durch ein neues, das heute noch bestehende Gebäude am Brandbach ersetzt.

Die Schulchronik muss auch während der Zeit des Nationalsozialismus sehr ausführlich geführt worden sein. Diese Unterlagen sind aber, und das war nicht nur in Südlengern so, in weiten Teilen verschwunden, vermutlich vernichtet worden. Immerhin erfahren wir aus dem Jahr 1933, dass den Schulkindern zum Tag „der Unterzeichnung des Schanddiktats von Versailles“ die „unerhörte Schmach und Schande des Vaterlandes durch den Feind“ vor Augen geführt, und dass der Hitlergruss eingeführt wurde.1934 berichtet die Chronik, dass die Schar des Jungvolks ständig anwuchs. Auch eine Gruppe der Hitler-Mädel hatte sich gebildet. 1936 erhielt die Schule Südlengern-Dorf die Genehmigung zum Hissen der Hitler-Jugend-Fahne, da die Voraussetzung – eine mindestens 90prozentige Erfassung der Schülerschaft durch die Hitlerjugend – erfüllt war. Die konsequente Erziehung zum Nationalsozialismus verfehlte ihre Wirkung nicht. „Nach vier Jahren Jungvolk hätte ich einen Juden mit gutem Gewissen erschossen“, sagt ein ehemaliger Schüler, „damit werde ich heute noch nicht fertig.“

Die Tochter der ehemaligen Schuldienerin berichtet aus der Zeit des Krieges. Häufig gab es kurz vor Mittag Fliegeralarm. Deshalb wurde der Unterrichtsschluss vorgezogen. Weil die ersten vier Jahrgänge nun in ihren Klassenräumen nicht mehr nacheinander unterrichtet werden konnten, fand ein Teil des Unterrichts im Spritzenhaus am Brandbach statt. Sobald die Sirenen ertönten, wurden die Kinder nach Hause geschickt. Manchmal waren die Tiefflieger schneller, dann warfen sich die Kinder auf freier Strecke in einen schützenden Graben. Im Winter 1944/45 nahm die Organisation Todt die Turnhalle in Beschlag und brachte dort Kriegsgefangene unterschiedlicher Nationalitäten unter. Die Aufseher gingen äußerst brutal vor. Oft hörte man bei Nacht die Schreie der Misshandelten. Wurden die Gefangenen bei verbotener Nahrungsaufnahme erwischt, mussten sie sich halbnackt ausziehen und bei klirrender Kälte auf dem Schulhof aushalten, wo sie entsetzlich litten. Manchmal „vergaß“ der Vater, den Heizungskeller abzuschließen, damit die Gefangenen sich dort etwas aufwärmen konnten. Das war aber  nicht ungefährlich. Als die Besatzer kamen, entlud sich die Wut der Gefangenen in furchtbarer Weise. Das Ende ihrer Leiden vor Augen, flohen sie bei Nacht. Dabei nahmen sie die schlimmsten ihrer Drangsalierer mit und hängten sie entlang ihres Weges an Bäumen auf, wo sie am nächsten Morgen ein schauriges Bild boten.

Die Chronik „850 Jahre Südlengern“ spart diese Ereignisse nicht aus, und ich halte das für sehr wichtig. Sie spart auch davor liegende Zeiten der Not, der Drangsalierung oder politischer Auseinandersetzungen nicht aus. Sie erzählt aber auch viele Geschichten, die erheitern, und über die man unbeschwert lachen kann. Vielleicht amüsieren wir uns über den schaurigen Spuk im Gantenkrug oder über die Hexensaga vom Schürenplatz in Südlengern, weil wir heute eben aufgeklärt über solche Dinge denken. Ganz bestimmt aber macht es Spaß, die Spukgeschichte vom Rüterfriedhof am Reesberg nachzulesen. Und es war schon heftig, dass ein Storch um ein Haar die Cessna Heinrich Rosenbergs zum Absturz gebracht hätte, als der ein Feuerwehrfest auf dem Reesberg um eine Kunstflugvorführung bereichern wollte.

Zwei kleine Episoden möchte ich kurz erzählen.

Ein Stammgast bei Buddenberg, „Männe“ genannt, war als geizig verschrien und deshalb manchem derben Jux ausgesetzt. Einmal redeten sie ihm wegen einer „todsicheren“ Wette zu, die darin bestand, dass „Männe“ zwei rohe Eier unter seiner Mütze – die er (fast) nie absetzte – verstecken, dann einem später kommenden Stammgast erklären sollte, irgendwo in der Gaststube seien zwei Eier versteckt, die der neu Angekommene bestimmt nicht finden werde. Natürlich war der Angesprochene bestens informiert. Er suchte und suchte und schien ganz verzweifelt. Schließlich blieb er vor „Männe“ stehen und erklärte: „Ick kann dä Eiger nich fuinen, diu häss mui anschuiden!“ Dabei haute er „Männe“ ganz beiläufig auf die Mütze …

Im Friseursalon Schürmeier schneite eines Tages Opa Lohmann herein und stand wie vom Donner gerührt. „Nei, wat häff sik dat huier verännert!“ brachte er heraus. Natürlich widersprach Friseur Schürmeier. Hier hatte sich in letzter Zeit beim besten Willen nichts verändert! Opa Lohmann kniff die Augenbrauen zusammen und sah sich prüfend um. „Nei, wat häff sik dat huier verännert!“ wiederholte er. Schön, er war nicht mehr der Jüngste und vielleicht ein bisschen tüddelig. Doch so konnte er sich doch nicht irren! „Ach was, Opa Lohmann“, sagte Friseur Schürmeier, „hier ist alles so geblieben, wie es war!“ Der Alte runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Leiwe Tuid“, stellte er fest, „wenn sik huier nix verännert häff, dänn schüdde mui man erst einen Lüttken in, oawer ik briuke woll nen Dubbelten!“ Des Rätsels Lösung war einfach. Opa Lohmann bei Oma Buddenberg einen „Lüttken“ nehmen wollen und war in seiner Tüddelei im Nachbarhaus gelandet. Klar, dass es in ihm arbeitete, was die gepolsterten Frisierstühle vor der Theke bedeuten mochten …

Vielleicht war für Opa Lohmann die Gastwirtschaft Buddenberg Mittelpunkt der Welt. Ein gutes Stichwort, denn nachdem ich ziemlich vom Thema abgekommen bin, sollte ich endlich auf das von mir entdeckte Südlengern-Phänomen eingehen.

Also. Wir sprachen über Achsen oder Linien, die Orte miteinander verbinden. Das ist nicht ungewöhnlich. Phänomenal ist einfach, dass sich Südlengern jedes Mal auf einer dieser Linien befindet. Würden wir also zwischen jeweils zwei Orten unsichtbare Fäden spannen – wählen wir zum Beispiel Paderborn und Oppenwehe, Hameln und Münster, liegt Südlengern im Fadenkreuz. Das könnte ja noch Zufall sein, doch je mehr Fäden wir spannen, um so mehr verdichtet sich das Netz und der Knotenpunkt in der Mitte heißt Südlengern.

Auch ein Mittelpunkt ist relativ zu sehen, Perspektiven verändern sich je nach persönlicher Sicht der Dinge. So habe ich mir Mühe gegeben, meinen Standpunkt gründlich abzuklopfen und jede Voreingenommenheit auszuschließen. Eine solche Voreingenom­menheit könnte darin begründet sein, dass ich dem in germanischer, altsächsischer und preußischer Tradition verwurzelten Stamm der Südlengeraner angehöre. Oder darin, dass sich in mir so etwas wie „Heimatgefühl“ entwickelt haben könnte. Den Begriff „Heimat“ ins Spiel zu bringen, ist heute immer noch problembehaftet. Mancher sieht ihn „belastet“ und vermeidet es, ihn auszusprechen. Andere sehen ihn romantisch verklärt, manche durchaus noch im Sinne demagogischer Verfälschung früherer Jahre. Wie ich mit dem Begriff Heimat umgehe? Ich müsste es nicht „Heimat“ nennen – warum aber nicht, jedenfalls fühle ich etwas in meinem Kopf – ach, sage ich ruhig: in meinem Herzen, das mich in unverwechselbarer Weise mit Südlengern verbindet. Dabei bleibe ich nicht an Südlengern „kleben“. Ich will in regionalen, nationalen und globalen Zusammenhängen denken. Das ist mir wichtig, weil nur so Offenheit, Verständnis und Toleranz möglich sind. Ob es mir immer gelingt, ist die andere Frage.

So ist Südlengern ganz unbestritten „mein“ Mittelpunkt der Welt, aber auch mein „Tor“ zur Welt. Und nachdem ich das nun hoffentlich klargestellt habe, will ich endlich den Beweis antreten, dass Südlengern auch objektiv – für jeden nachvollziehbar – Mittelpunkt der Welt ist. Denn nachdem ich schon in meiner Einleitung erste Fadenkreuze gespannt habe, lade ich jedermann ein, einmal die Verbindung zwischen Glasgow und Istanbul herzustellen, zwischen Nizza und Oslo oder zwischen Reykjavik und Athen. Sie werden sich wundern!

Aber jetzt geht es erst richtig los: Spannen Sie mal einen Faden zwischen San Francisco und Addis Abeba sowie Hammerfest in Norwegen und Lagos in Nigeria. Natürlich. Südlengern liegt mittendrin! Das könnte ja noch Zufall sein. Doch die Linien zwischen New York und Kuwait sowie Valparaiso und Leningrad sprechen eindeutig dagegen. Und wenn Sie dann noch Rio de Janeiro und Nagasaki, Havanna und Bombay miteinander verbinden, werden Sie sprachlos sein. Schlicht und ergreifend sprachlos. Und bestimmt gehen Sie dann selbst auf Entdeckungsreise!

(vorgetragen als Beitrag zum Festakt zur 850-Jahrfeier Südlengerns am 23. Mai 2001 im Festzelt an der Grundschule Südlengern-Dorf)

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